Ich komme nach Hause und schaue in den Briefkasten. Den analogen. Ein Reflex. Aber keine Notwendigkeit. Meist ist er leer. Heute nicht. Heute ist ein Magazin im Briefkasten und großen die Überschriften brüllen mich an. Besonders eine fällt mir auf. Die eine, mit den Worten:
Deep Talk.
Ich lese und ich kenne sie. Die Worte, aber nicht die Bedeutung. Deshalb frage ich das Netz, was das genau bedeutet. Deep Talk. Es klingt für mich nach irgendwas zwischen Influencer, Barfuß-Coaching oder Kakao-Retreat mit Sonnenuntergang und balinesischem Tempelblick. Mag alles gut sein. Ist aber nichts für mich.
Und ich komme mir in dem Moment wie ein alter, weißer Mann vor – der ich ja auch bin -, der die modernen Wörter, das moderne Leben googeln muss. Wobei es gar nicht Google ist. Da nutze ich andere und modernere Möglichkeiten.
GQ erklärt es mir so: „Unter einem Deep Talk versteht man ein tiefgründiges Gespräch. Das kann in größerer Runde, aber auch nur zu zweit stattfinden. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass man sich mit seinen Gesprächspartner:innen wohlfühlt. Nur so kann eine intime Konversation entstehen, in der sich die Beteiligten fallen lassen und ihre tiefsten Gedanken teilen können. Die Themen können dabei ganz unterschiedlich sein. Es kann um Allgemeines wie komplexe Sachverhalte, die Gesellschaft, Übernatürliches oder Philosophisches gehen, man kann aber auch über Charaktereigenschaften, persönliche Wünsche und Ängste oder die Beziehung zueinander sprechen. Ein konkretes Ziel gibt es beim Deep Talk nicht, genauso wenig wie richtig oder falsch. Allerdings hat man nach dem Gespräch oft das schöne Gefühl, dem Gegenüber emotional näher zu sein.“ (Nathalie Meier-Scupin & Angelika Watta, GQ, 14. April 2025, Link ist im Kommentar)
Und ich denke:
„Ach“.
Das kenne ich. Das mache ich. Seit mehr als 19 Jahren führe ich intensive Gespräche mit Unternehmern, Geschäftsführern, Vorständen. Nicht über Tools. Nicht über Mindsets. Sondern über Entscheidungen, die etwas bedeuten. Über Verantwortung, die manchmal schwer wiegt.
Nur nennt es keiner so. Nicht meine Kunden. Nicht ich. Wir reden. Direkt. Offen. Manchmal unbequem. Kein Format. Kein Retreat. Kein Tempel. Nur zwei Menschen. Ein Raum. Und ein Gespräch, das hilft. Das können Sie gerne Deep Talk nennen. Ich nenne es: meinen Beruf. Meine Berufung.
Oder einfach „Das Gespräch“.